Auf welcher kulturellen Stufe befindet sich eigentlich Ihr Unternehmen? Warum es sich für Führungskräfte lohnt, über diese Frage nachzudenken, und wie der Fokus auf „People & Culture“ die gesamte Organisation auf ein neues Niveau heben kann.

Das Wichtigste in Kürze:

  1. Die Personalabteilung von morgen heißt „People & Culture“, sie befasst sich mit Menschen und Unternehmenskultur.
  2. Es ist zentrale Aufgabe von Führungskräften, eine Kultur zu etablieren, die geprägt ist von Offenheit, Wertschätzung und Begleitung auch durch private Lebensphasen.
  3. Dazu muss man verstehen, wie Kulturen entstehen und was sie ausmacht. Das Entwicklungsstufenmodell gibt darüber Aufschluss.
  4. Lediglich zwei Prozent der Unternehmen befinden sich demnach schon in der höchsten Entwicklungsstufe, die hohes Engagement fördert und die Intelligenz der Vielen nutzt.

Was steht an der Tür gewisser Abteilungen? Personalwesen, Personalabteilung oder das neudeutsche HR? Wie auch im- mer. Mit der diesen Bezeichnungen zugrundeliegenden Denkweise wird der Alltag oft vom Suchen geprägt sein. Führungskräfte sind aber Vorreiter der Zukunft. Niemand muss sich so sehr mit der Zukunft auseinandersetzen wie sie.

Die einen sind dafür, die anderen sind dagegen, und die Dritten wissen es noch nicht: Die Fähigkeit, Menschen für ein Unterneh- men, ein Team oder eine Aufgabe zu gewinnen, ist existenziell wichtig. Sucher suchen immer nur. Finder finden Menschen, die sie begleiten wollen. Sie schaffen eine Kultur, die Menschen gerecht wird und anzieht. Und sie haben eine klare Vorstellung von den Fertigkeiten für die Zukunft. Lassen Sie uns Finder sein, lassen Sie uns finden, wen und was wir für die Zukunft brauchen!

Das nächste Level

Sind Personalverantwortliche organisationsintern unter „Head of Talent“, „HR Operating Business“ oder „People Operations“ zu finden, ist die Position und eventuell die Organisation offensichtlich schon auf einem neuen Niveau angelangt. Umso mehr eine Personalabteilung auf dem nächsten Level ist, desto eher gelingt es, die positive Unternehmenszukunft voranzutreiben. Am Ende des Tages werden die Abteilungen ohnehin bei „People & Culture“, also „Menschen und Kultur“ landen.

Die sektorale Personalverknappung und der daraus resultierende Wettbewerb um die Talente haben dazu geführt, dass diese Abteilungen für die Wertschöpfung von Organisationen eine große Bedeutung erlangt haben, die noch weiter zunehmen wird. Ihr Aufgabenbereich entwickelt sich rasant weiter: Simple Verwaltungstätigkeiten laufen zunehmend automatisiert ab, die reine Konzentration auf Employer Branding ist nicht attraktiv genug. Um erfolgreich zu agieren, muss eine Marke auf einer ent- sprechenden Kultur basieren.

Menschen und Kultur

Was treibt Sie um und an? Worauf liegt Ihr tagtäglicher Fokus? Es sind die Menschen, und es ist die Kultur. Beide zusammen ermöglichen das gemeinsame Arbeiten, das Überwinden von Widerständen und das Erreichen der Ziele. Bieten Sie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern genau davon mehr, bieten Sie eine besondere Kultur:

  • eine Kultur, die Menschen durch Offenheit und Zugehörigkeit von Anfang an begeistert,
  • eine Kultur der Wertschätzung, des Zuhörens und der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten,
  • eine Kultur, die Menschen durch die beruflichen und privaten Lebensphasen begleitet, und
  • eine Kultur, in der Sie als direkte Anlaufstelle für die Menschen in der Organisation da sind.

So eine Kultur zu etablieren, ist die zentrale Aufgabe. Doch dafür müssen wir zuerst genau verstehen, wie Kulturen entstehen, sich entwickeln und welche Ausprägungen sie annehmen können.

Die Entwicklung von Kultur

Wie haben sich die Menschen und mit ih- nen die Kultur entwickelt? Dave Logan, John King und Halee Fischer-Wright haben es geschafft, die kulturellen Entwicklungs- stufen zu verdichten und verständlich zu formulieren. Ihre Studie mit etwa 24.000 Interviews lief über nahezu zwei Jahrzehnte. Das Ergebnis bietet einen eindrucksvollen Überblick über die Kulturformen von Organisationen.

Menschen organisieren sich demnach in „Stämmen“, bezogen auf die Wirtschaft kann das ein ganzes Unternehmen oder eine Abteilung sein. Diese Stämme und auch einzelne Menschen lassen sich in fünf Stufen einteilen. In größeren Stämmen existieren verschiedene Stufen oft parallel, immer ist aber eine Stufe die bestimmende Kultur. Die Stufen unterscheiden sich nach den Sprachen beziehungsweise nach den vorherrschenden Weltbildern. Sie lassen sich jeweils in einem Kernsatz ausdrücken:

  • Stufe 1 – Das Leben ist deprimierend: Die Menschen sind frustriert, das Leben ist schlecht. Es gibt kein Mit- einander, nur ein Gegeneinander. Die Kultur ist ähnlich der von kriminellen Banden und verbrecherischen Orga- nisationen. Perspektiven sind auf Stufe 1 nicht möglich, Befehlsautorität und Arbeitsteilung sichern aber den Fortbestand. Jede fünfzigste Organisation befindet sich in dieser Phase.
  • Stufe 2 – Mein Leben ist deprimierend: Die Mitarbeiter erkennen bei anderen ein gutes Leben, ihr eigenes Leben aber gelingt kaum. Das führt oft zu Vereinsamung, denn auf Stufe 1 waren die Menschen noch mit den Kollegen in einem Boot. Die Stufe 2 führt zu Dienst nach Vorschrift. Eine klare Hierarchie und starke Kontrolle bieten Sicherheit und Stabilität. Eigene Initiativen und ein Veränderungs- wille sind aber Mangelware. 25 Prozent aller Unternehmen kann man dieser Kulturstufe zuordnen.
  • Stufe 3 – Ich bin großartig, du bist es nicht: Es herrscht eine Kultur der Helden, die als Einzelpersonen Heraus- forderungen lösen. Wettbewerbsfähigkeit, Profit und Wachstum stehen im Fokus. Aber Profit allein ist nicht erfüllend und führt zu Desinteresse. Die jungen Generationen spiegeln das den Unternehmen genau so zurück. Auf diesem Niveau verharren 49 Prozent der Organisationen.
  • Stufe 4 – Wir sind großartig, die anderen sind es nicht: Der Entwicklungsschritt von Stufe 3 auf Stufe 4 ist enorm. Hier passiert eine wesentliche Veränderung: Zugehörigkeit tritt ein, die Menschen halten zusammen. Das Wir steht so sehr im Mittelpunkt, dass es zu Abgrenzung kommen kann. Zugehörigkeit und Verbundenheit sind motivierende Kräfte. 22 Prozent der Organisationen befinden sich auf dieser Stufe.
  • Stufe 5 – Das Leben ist großartig: Diese Stufe erreichen Organisationen, die sich dem höchsten kulturellen Ziel verschreiben. Entscheidungen im Unternehmen tragen die sich selbst organisierenden Mitarbeiter. Ein hohes Engagement und die Intelligenz der Vielen entfalten sich. Die Menschen sehen sich selbst als Teil eines großen Ganzen. Lediglich zwei Prozent der Unternehmen befinden sich auf dieser Entwicklungsstufe.

Auswirkungen auf die Unternehmenszukunft

Auf den Stufen 1 bis 3 ist „Low Performing“ an der Tagesordnung. „High Performing“ ist auf Stufe 4 und Stufe 5 möglich. Orga- nisationen durchlaufen diese fünf Stufen nacheinander, wobei sich verschiedene Unternehmensteile auf unterschiedlichen Stufen befinden können. Es ist nicht möglich, Stufen zu überspringen. Eine offene und bewegliche Organisation überwindet die nächsthöhere Stufe jeweils leichter als eine starre Organisation.

Das Modell dient als Hilfe zur Einordnung der eigenen Organisation. Wenn Sie Kultur interessiert, führt an ihm kein Weg vorbei, wenn Sie Menschen interessieren, auch nicht. Mithilfe des Kulturmodells können Sie aktiver in die Gestaltung eingreifen und Ihr Unternehmen auf das nächste Level bringen.

New Work als Kulturbestandteil

Organisationen ohne New Work setzen auf die Kultur und auf die Mitarbeiter von gestern. Was zukunftsfähige Organisationen für ihre Mitarbeiter tun:

Arbeitszeiten und Anwesenheit:

  • Arbeitstag mit flexiblen Zeiten
  • flexibler Arbeitsumfang (Wochenarbeitszeit, Vier-Tage-Woche, Projektcharakter)
  • flexibler Arbeitsort (Remote Work, Homeoffice)
  • Möglichkeit, Urlaubstage „zukaufen“ zu können, Option auf Auszeiten
  • erlebbare Freiheit und Selbstbestimmung im Arbeitsalltag

Weiterbildung, Akademie und Campus:

  • ansprechende Weiterbildung (lebenslanges Lernen)
  • Aufstiegs- und Umstiegsmöglichkeiten
  • eigener Campus mit beruflichen und privaten Angeboten

Zeittauschfaktor:

  • Gehalt muss passen, ist aber für sich alleine zu wenig
  • Incentives und Benefits (etwa frei wählbares Equipment, Gutscheine, Rabattkarten, Bahntickets, betriebliche Alters- vorsorge, Zusatzkrankenversicherung)
  • Die Menschen geben ihre Zeit, die Organisation nimmt den Menschen dafür etwas ab: z.B. Kindergarten und -betreuung, Wäscheservice, Hunde erlaubt

Ansprechende Arbeitswelt:

  • Look & Feel inklusive cooler Arbeits- und Freizeitkleidung
  • Leute nicht einengen, nur so können sie die beste Leistung bringen (Work as you are)
  • attraktive Lage (Verkehrsanbindung, Freizeitmöglichkeiten)
  • Open Space, Räume für Begegnung, Kreativität und Ruhe, Terrasse, Bibliothek
  • Firmenrestaurant, Getränke, Snacks, Obst
  • Fitnessstudio, Duschen
  • Gesundheits-Check, Business-Sport, Gruppenevents

Führung & Kultur:

  • flache Hierarchie und Transparenz
  • Mentoring für Einsteiger
  • attraktive Organisationskultur
  • Zugehörigkeit

Nachhaltigkeit:

  • Green Jobs
  • Refurbished- und Recycling-Gedanke

 

Peter Baumgartner ist Unternehmensberater, Keynote-Speaker und sechsfacher Buchautor. Als inspirierender Redner begeistert er sein internationales Publikum mit Leadership und Kommunikation, Digitalisierung und Transformation. Er lehrt an Hochschulen und Business Schools. Peter Baumgartner bewegt Menschen und macht Organisationen zukunftsfähig.